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Verschlechterungsantrag kurz vor der Rente

Heinz aus Flensburg ist 1960 geboren und möchte gern mit 64 Jahren und vier Monaten in Rente gehen. Ohne Abschläge. Möglich macht das die sogenannte Altersrente für schwerbehinderte Menschen, mit der Versicherte zwei Jahre vor dem Erreichen der Regelaltersgrenze ohne Abzüge aus dem Berufsleben ausscheiden können. Seit 20 Jahren hat Heinz den Status der Schwerbehinderung inne.

Verschlechterungsantrag kurz vor der Rente

Hintergrund ist seine Diabetes, mit der sich Heinz bereits viele Jahre herumschlägt. Da er sich regelmäßig Insulin spritzen muss, vergab das Landesamt für soziale Dienste seinerzeit recht zügig einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 – und somit den Schwerbehindertenstatus.

Nun hat der 60-Jährige von der Möglichkeit gehört, eine Neufeststellung seines GdB zu beantragen. Da Heinz vor zwei Jahren an der Hüfte operiert wurde, erhofft er sich nun eine Höherstellung durch das Amt. Insgeheim hat er auch ein Auge auf das Merkzeichen „G“ geworfen.

Neufeststellung – was ist das?

Wer bereits einen anerkannten GdB hat, kann einen Antrag auf Neufeststellung auf den Weg bringen. Dieser ist dafür gedacht, etwaige Verschlimmerungen der jeweiligen Behinderung – daher auch die umgangssprachliche Bezeichnung „Verschlimmerungs- oder Verschlechterungsantrag“ – entsprechend zu bewerten. Betroffene stellen einen Verschlechterungsantrag, weil sie sich weitere Nachteilsausgleiche versprechen. Etwa ein weiteres Merkzeichen oder einen höheren Steuerfreibetrag.

Wann ist es sinnvoll, einen Verschlechterungsantrag zu stellen?

Diese Frage kann man allgemein nicht beantworten. Jede Situation ist unterschiedlich. Zwei Fragen sollten Sie sich jedoch unbedingt stellen, bevor Sie sich weitere Gedanken machen. Erstens sollten Sie sich darüber informieren, ob Ihre aktuellen Beschwerden tatsächlich einen signifikant höheren Grad der Behinderung mit sich bringen würden – und zwar auf Grundlage der aktuellen Versorgungsmedizin-Verordnung.

Außerdem ist folgende Frage wichtig: Würde Ihnen das Verfahren gegebenenfalls tatsächlich ein Merkzeichen bringen, dass Sie im Leben weiterbringt? Kämen Sie nach der Neufeststellung vielleicht in die Lage, einen Parkausweis für Menschen mit Mobilitätseinschränkung führen zu dürfen?

Beantworten Sie auch nur eine dieser beiden Fragen mit „Nein“, sollten Sie um jeden Preis die Finger vom Neufeststellungsantrag lassen.

Birgt ein Verschlimmerungsantrag auch ein Risiko?

Wenn Sie bereits einen Grad der Behinderung von 50 oder mehr haben, ist es immer dringend angeraten, sich die beiden oben genannten Fragen zu stellen und ehrlich zu beantworten. Denn ein Neufeststellungsantrag verursacht nicht nur Arbeit in der zuständigen Behörde, die mitunter überflüssig ist. Auch aus der Perspektive des Antragstellers gilt es abzuwägen, ob ein Antrag nicht nur sinnvoll, sondern auch harmlos ist.

Denn ist der Verschlechterungsantrag erst einmal gestellt, muss die Behörde ermitteln. Dabei kann es vorkommen, dass der festgestellte GdB am Ende des Verfahrens sogar niedriger ausfällt als zuvor. Hintergrund ist die oben bereits erwähnte Versorgungsmedizin-Verordnung. In diesem Dokument wird festgehalten, welche gesundheitlichen Einschränkungen zu welchem GdB führen. Die Verordnung ist jedoch nicht in Stein gemeißelt. Immer wieder gibt es Veränderungen, die mitunter dazu führen, dass Behinderungen heute deutlich anders eingeschätzt werden als noch vor ein paar Jahren. Meist wird argumentiert, dass es mittlerweile bessere Hilfsmittel gibt – daher der niedrigere GdB.

Ist der Zeitpunkt kurz vor der Rente eine besondere Situation?

Ja, wir beim Sozialverband raten in der Regel davon ab, kurz vor dem geplanten Renteneintritt einen Verschlimmerungsantrag zu stellen. Warum? Weil der mögliche Verlust höher ist als in anderen Lebensphasen.

Kommen wir zu unserem Beispiel zurück. Heinz aus Flensburg ist 60 und will in gut vier Jahren im Rahmen der Altersrente für schwerbehinderte Menschen in den Ruhestand. Natürlich ohne Abzüge. Stellt er jetzt den Antrag, läuft er Gefahr, seinen Schwerbehindertenstatus komplett zu verlieren. Denn eine Diabetes führt im Jahr 2020 nicht mehr automatisch zum GdB von 50, wenn Insulin gespritzt werden muss.

Würde Heinz den Verschlechterungsantrag unüberlegt stellen, wäre sein Ziel – die frühere Rente – eindeutig in Gefahr.

Was empfiehlt der SoVD?

Beantworten Sie folgende Fragen. Ist es auf Basis der aktuellen Versorgungsmedizin-Verordnung möglich, durch eine Neufeststellung tatsächlich eine höhere Bewertung zu erhalten? Bekämen Sie ein neues Merkzeichen und damit einen weiteren Nachteilsausgleich, der Ihnen spürbare Erleichterungen im Alltag bescheren würde? Falls nicht, Hände weg vom Verschlimmerungsantrag. Im Zweifelsfalls sollten Sie sich vor dem Antrag ohnehin noch einmal sozialrechtlich beraten lassen.

Der Sozialverband Deutschland hilft in sozialen Angelegenheiten. Wir vertreten unsere Mitglieder bis zum Sozialgericht, unter anderem bei Auseinandersetzungen rund um das Thema Rente und Behinderung.

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