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Erwerbsminderungsrente: Antrag und Voraussetzungen | volle und teilweise Rente | Hinzuverdienst und Versteuern

Die Erwerbsminderungsrente unterscheidet sich in einem sehr wichtigen Punkt von anderen Formen der „Frührente“. Im Gegensatz zur Rente nach 35 oder 45 Versicherungsjahren suchen sich die betroffenen Menschen eine Erwerbsminderungsrente nicht aus. Ausschlaggebend ist die Tatsache, dass die Gesundheit nicht mehr mitspielt. Eine „EM-Rente“ ist häufig die letzte Option – nach Lohnfortzahlung, Kranken- oder Arbeitslosengeld.

Erwerbsminderungsrente

* aktualisiert am 09.01.2023

Da sehr viele Menschen in unserer Sozialberatung Schwierigkeiten mit der Erwerbsminderungsrente haben, stellen wir in dieser Übersicht die wichtigsten Fragen und Antworten zusammen.

Interessante Fakten zur Erwerbsminderungsrente:

  • In Deutschland erhalten rund 1,8 Millionen Menschen eine Erwerbsminderungsrente. Bei 83 Millionen Einwohnern sind das mehr als zwei Prozent unserer Bevölkerung.
  • Es gibt sowohl die volle als auch eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung.
  • Im Jahr 2018 betrug betrug die durchschnittliche Erwerbsminderungsrente im Westen Deutschlands 804 Euro. Werden nur die neuen EM-Renten ausgewertet, sinkt dieser Betrag nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung auf 772 Euro.

Unsere Übersicht zur Erwerbsminderungsrente

  1. Medizinische und rentenrechtliche Voraussetzungen
  2. Was muss ich beim Antrag zur Erwerbsminderungsrente beachten?
  3. Volle und teilweise Erwerbsminderung
  4. Befristet und unbefristet
  5. Kann man Abschläge vermeiden?
  6. Bedeutung für die Grundrente
  7. Muss ich meine Erwerbsminderungsrente versteuern?

Medizinische und rentenrechtliche Voraussetzungen

Ob jemand eine Erwerbsminderungsrente erhält, hängt von der Erfüllung dreier Voraussetzungen ab. Es muss ein Antrag gestellt werden; die betroffene Person muss gesundheitlich dermaßen eingeschränkt sein, dass er oder sie weniger als sechs Stunden pro Tag irgendeiner beruflichen Tätigkeit nachgehen kann. Außerdem müssen sogenannte „versicherungsrechtliche“ oder „rentenrechtliche“ Voraussetzungen vorliegen.

Medizinische Voraussetzungen

Im Gegensatz zum Antragsverfahren beim Schwerbehindertenausweis werden Sie bei der Erwerbsminderungsrente fast immer persönlich begutachtet. Das heißt: Einige Zeit nach Ihrem Antrag erhalten Sie Post von der Deutschen Rentenversicherung – mit einem Termin beim Amtsarzt. Dieser wird Sie untersuchen und anschließend ein medizinisches Gutachten erstellen. Auch die Berichte Ihrer Hausärzte fließen hier mit ein.

Am Ende dieses Prozesses ist vor allem eine Frage wichtig: Wie viele Stunden können Sie am Tag irgendeiner beruflichen Aktivität nachkommen? Wenn der Gutachter zu dem Schluss kommt, dass Sie tatsächlich weniger als drei Stunden täglich schaffen, sind die medizinischen Voraussetzungen für eine volle Erwerbsminderungsrente erfüllt. Steht in dem Gutachten, dass Sie am Tag zwischen drei und sechs Stunden arbeiten können, kommt eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in Frage. Schaffen Sie nach dem Eindruck des Amtsarztes mindestens sechs Stunden, besteht keine Chance auf eine Erwerbsminderungsrente.

Übrigens, auch wenn hier vom „Amtsarzt“ die Rede ist: Meist werden Sie zu einem Arzt bestellt, der Sie im Auftrag der Deutschen Rentenversicherung untersucht. Nur die wenigsten Gutachten werden von Medizinern erstellt, die hauptberuflich beim Rententräger angestellt sind.

Ganz wichtig: Ihr Leistungsvermögen bezieht sich auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Es spielt keine Rolle, was Sie gelernt, studiert oder welchen Job Sie zuletzt ausgeübt haben. Für das Gutachten ist nur von Bedeutung, dass Sie überhaupt eine gewisse Anzahl von Stunden arbeiten können. Egal, in welcher Tätigkeit.

Versicherungsrechtliche Voraussetzungen

Doch selbst wenn Sie den Antrag gestellt haben und der Gutachter zu dem Schluss kommt, dass Sie weniger als drei Stunden pro Tag arbeiten können – selbst dann liegt noch eine dritte Hürde zwischen Ihnen und der Erwerbsminderungsrente. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen. Und hier liegt das Problem häufig im Detail.

Zum einen müssen Sie die allgemeine Wartezeit erfüllen. Das bedeutet für Sie: Seit mindestens fünf Jahren vor dem Start Ihrer Erwerbsminderung sind Sie in der DRV versichert. Außerdem haben Sie innerhalb der letzten fünf Jahre wenigstens 36 Monate Pflichtbeiträge eingezahlt. Am häufigsten geschieht dies durch eine Beschäftigung im Angestelltenverhältnis – bei Minijobs nur unter bestimmten Voraussetzungen. Aber auch beim Arbeitslosen- oder Krankengeld werden in der Regel Pflichtbeiträge abgeführt.

Ausnahme bei jungen Menschen

Doch was ist mit jungen Leuten, die aufgrund von Krankheit oder Unfall nicht mehr arbeiten können? Mit 18 oder 19 hat kaum jemand die Chance, die allgemeine Wartezeit für eine Erwerbsminderungsrente zu erfüllen.

Deshalb besteht für diesen Personenkreis eine Ausnahmeregel. Wenn ein Unfall oder eine Berufskrankheit verantwortlich für die Erwerbsminderung ist, reicht unter Umständen bereits eine einzige Beitragszahlung. Mehr dazu in diesem Beitrag.

Was muss ich beim Antrag zur Erwerbsminderungsrente beachten?

Ohne Antrag geht auch in der gesetzlichen Rente gar nichts. Das Formular dazu finden Sie auf der Website der Deutschen Rentenversicherung. Selbstverständlich können Sie den Antrag auch persönlich ausfüllen – dazu gibt es in ganz Deutschland die kostenlosen Beratungsstellen der DRV.

Seien Sie sich bitte bewusst, dass solch ein Antrag nicht von heute auf morgen bearbeitet wird. In der Regel müssen Sie mit drei bis sechs Monaten rechnen. Stellen Sie also sicher, dass Sie den Antrag rechtzeitig abschicken. Im besten Fall sollten Sie zudem Ihren Haus- oder Facharzt darauf vorbereiten, dass der Rententräger ihn kontaktieren wird – mit der Aufforderung zu einem medizinischen Befundbericht. Es ist äußerst hilfreich, wenn sich Ihr Vertrauensarzt nicht zu kurz fasst. Welche Inhalte in keinem Arztbericht fehlen sollten, lesen Sie hier.

Reha vor Rente

Diesen „Schlachtruf“ haben Sie sicherlich schon einmal gehört. Bevor die gesetzliche Rentenversicherung ernsthaft prüft, ob eine EM-Rente ausgezahlt wird, kommt sehr oft die Reha ins Spiel. In einer meist dreiwöchigen Maßnahme – wenn möglich in stationärer Form – soll im Rahmen einer Reha herausgearbeitet werden, ob sich Ihre Arbeitskraft vielleicht doch noch verbessern lässt. Außerdem prüfen die Ärzte auch während der Reha Ihre gesundheitliche Konstitution. Am Ende verlassen Sie die Maßnahme mit einem offiziellen Gutachten in der Hand. Wenn dieses Dokument aussagt, dass Sie weniger als drei Stunden am Tag arbeitsfähig sind, kann Ihr Antrag zur Reha in den Weg zur Erwerbsminderungsrente umgewandelt werden.

Beratung bei Problemen mit der Erwerbsminderungsrente

Es ist keine Schade, sich Hilfe zu holen. Das Sozialrecht ist komplex. Es kommt nicht selten vor, dass ein winziges Detail über Erfolg oder Misserfolg nach einem Antrag entscheidet. Daher ermutigen wir Sie, sich Unterstützung zu suchen, falls Probleme auftauchen. Das kann ein Anwalt für Sozialrecht sein. Falls Sie in Schleswig-Holstein wohnen, besuchen Sie uns gern in unserer Sozialberatung.

Volle und teilweise Erwerbsminderung

Die Erwerbsminderungsrente kommt erst mit einem Restleistungsvermögen von weniger als sechs Stunden pro Tag in Frage. Doch innerhalb dieser Zeitspanne gibt es Unterschiede. Erst wer weniger als drei Stunden täglich „schaffen“ kann, hat Aussichten auf die volle EM-Rente. Besteht noch ein Leistungsvermögen zwischen drei und sechs Stunden am Tag, wird nur die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderungsrente ausgezahlt.

Dieser kleine Unterschied hat gewaltige finanzielle Auswirkungen. Während die volle Erwerbsminderungsrente in Westdeutschland 2018 noch 804 Euro im Durchschnitt betrug, waren es für die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gerade einmal 533 Euro. Wenn wir uns ausschließlich die neuen Renten aus diesem Jahr anschauen, beträgt der Durchschnittswert sogar nur noch 435 Euro im Monat.

Die Arbeitsmarktrente kann helfen

Allerdings besteht eine Ausnahmeregel, die zumindest einen Teil dieser Einbußen auffangen kann. Denn wer lediglich die Bedingungen zur teilweisen Erwerbsminderungsrente erfüllt, kann trotzdem eine volle Rente ausgezahlt bekommen. Das ist immer dann der Fall, wenn der Arbeitsmarkt für Teilzeitkräfte „verschlossen“ ist – wenn es also keine Jobs gibt, mit denen man seine halbe Erwerbsminderungsrente aufstocken könnte. Mehr zur Arbeitsmarktrente lesen Sie in diesem Beitrag.

Erwerbsminderungsrente aufstocken – welche Möglichkeiten gibt es?

Egal ob volle oder halbe EM-Rente – niemand sucht sich diesen Weg aus finanziellen Gründen aus. Dafür ist die Erwerbsminderungsrente in den meisten Fällen einfach zu gering. Um dennoch mit dem Geld über die Runden zu kommen, üben viele Betroffene einen Nebenjob aus. Über diese Option lassen sich bis zu 17.272,50 Euro im Jahr hinzuverdienen (Stand 2023). Das bedeutet: Auch als Erwerbsminderungsrentner dürfen Sie sich ohne Probleme einen Minijob suchen. Ihre Rente wird nicht gekürzt. Vergessen Sie aber bitte nicht, dieses Einkommen bei der Rentenversicherung anzumelden.

Wer es aus gesundheitlichen Gründen nicht schafft, nebenbei zu arbeiten, kann unter Umständen beim Amt aufstocken. Welche Behörde in dieser Frage für Sie zuständig ist, kommt auf die Art Ihrer Erwerbsminderungsrente an. Mit einem Restleistungsvermögen unter drei Stunden können Sie einen Antrag auf Grundsicherung stellen. Wenn Sie theoretisch noch mehr als drei Stunden arbeiten können, müssen Sie sich ans Jobcenter wenden und „Hartz IV“ beantragen. Beide Anlaufstellen bringen einen Haken mit sich: Sowohl Grundsicherung als auch Arbeitslosengeld II setzen eine Vermögensprüfung voraus. Wer also neben der Erwerbsminderungsrente noch andere Einkünfte oder nennenswertes Vermögen hat, wird keine staatliche Unterstützung erhalten.

Befristet und unbefristet

Wie lange bekommt man die Erwerbsminderungsrente nach erfolgreichem Antrag? Nur in wenigen Fällen – wenn es kaum Aussichten dafür gibt, dass sich Ihre gesundheitliche Situation deutlich verbessert – erhalten Sie eine unbefristete Rente. Der Normalfall ist die Befristung. Sehr häufig zahlt die Rentenversicherung erst einmal für drei Jahre, anschließend müssen Sie eine Weiterbewilligung beantragen. Auch hier achten Sie bitte auf die Fristen. Spätestens drei Monate vor dem Ablauf (am besten etwas früher) sollten Sie Ihren Antrag einreichen.

Selbst wenn Ihre Erwerbsminderungsrente unbefristet gilt, läuft diese spätestens dann aus, wenn Sie die sogenannte „Regelaltersgrenze“ überschreiten. Wann das ist, hängt von Ihrem Geburtsjahr ab. Und auch in diesem Szenario startet Ihre Altersrente nicht automatisch. Sie müssen wieder aktiv werden und einen Antrag stellen. Mehr dazu in diesem Artikel.

Kann man Abschläge vermeiden?

Die Höhe Ihrer Erwerbsminderungsrente hängt vor allem davon ab, wie Ihr bisheriges Berufsleben ausgesehen hat. Wenn Sie also ordentlich verdient und lückenlos eingezahlt haben, liegt Ihre Rente vielleicht deutlich über dem Durchschnitt. Mit wie viel Geld Sie rechnen können, entnehmen Sie am besten der jährlichen Renteninformation. Die Rentenversicherung verschickt dieses Dokument automatisch einmal pro Jahr an alle Versicherten.

Leider lauert an dieser Stelle ein Problem. Ihre tatsächlich ausgezahlte Rente wird niedriger ausfallen als der Betrag aus der Renteninformation. Erstens fällt der Beitrag zur Krankenversicherung an. Und zweitens müssen Sie mit Abschlägen rechnen. Wenn Ihre Erwerbsminderungsrente vor dem 63. Geburtstag beginnt, kostet Sie das pro Monat 0,3 Prozent. Falls Sie Ihre EM-Rente also mit 62 beziehen, bedeutet das bereits ein Minus von 3,6 Prozent. Doch viele Menschen müssen schon in jungen Jahren von einer EM-Rente leben. All diese Leute erhalten deswegen 10,8 Prozent weniger. Bis in die Altersrente hinein.

Wenn Sie diese Abschläge umgehen möchten, bleibt nur eine Option. Den Rentenbeginn bis zum 63. Geburtstag verschieben. Bei den meisten Menschen ist das natürlich illusorisch, da man sich in diesem Alter bereits mit anderen Formen der vorgezogenen Altersrente beschäftigt.

Noch ein Wort zur Berechnung der Erwerbsminderungsrente: Wer beispielsweise mit 40 nicht mehr arbeiten kann, hat noch nicht viele Entgeltpunkte in der Rentenversicherung gesammelt. Um das auszugleichen, gibt es im Rentenrecht die Zurechnungszeit. Die DRV rechnet Ihre Rentenpunkte also bis zur späteren Regelaltersgrenze hoch.

Leider hat auch dieses positives Prozedere einen Haken. Nur wer zukünftig eine Erwerbsminderungsrente benötigt, profitiert von der Zurechnungszeit bis zur tatsächlichen Regelaltersgrenze. Die sogenannten „Altfälle“ erhalten deutlich niedrigere Renten, da hier in vielen Fällen nur bis zum 60. oder 62. Lebensjahr hochgerechnet wurde.

Bedeutung für die Grundrente

Schon lange diskutiert die Bundesregierung über eine Möglichkeit, kleine Renten aufzustocken. Die neueste Version dieser Gedankenspiele nennt sich Grundrente und soll eigentlich Anfang 2021 starten. Leider werden viele Menschen mit Mini-Renten keinen Vorteil durch die Grundrente erleben – denn die Zugangsvoraussetzungen sind äußerst streng.

Wer eine Chance auf die kleine Aufstockung haben will, muss mindestens 33 Grundrentenjahre – eine besondere Form der Wartezeit – erfüllen. Hier zählen vor allem Zeiten, in denen Sie versicherungspflichtig gearbeitet oder Kinder erzogen haben. Wenn ein großer Teil Ihres Lebenslaufs jedoch von der Erwerbsminderungsrente geprägt ist, wird die Grundrente an Ihnen vorbeigehen. Solche Anrechnungszeiten sollen nicht mitzählen. Genauso wenig wie Zeiten, in denen Sie arbeitslos waren.

Muss ich meine Erwerbsminderungsrente versteuern?

Ja, müssen Sie. Wie hoch der Anteil Ihrer Rente ist, den Sie versteuern müssen, hängt von Ihrem Jahrgang ab. Informationen hierzu finden Sie in Ihrem Rentenbescheid. Wenn Sie allerdings nur über Ihre Erwerbsminderungsrente verfügen, ist die Chance hoch, dass Sie überhaupt keine Steuern zahlen müssen.

Beachten Sie bitte, dass die Rentenversicherung keine Steuern direkt abführt. Falls Sie also steuerpflichtig sind, sind Sie selbst gefordert. In diesem Fall müssen Sie eine Steuererklärung abgeben. Bei Fragen dazu hilft Ihnen zum Beispiel ein Steuerberater.

Fazit

Die Erwerbsminderungsrente ist für viele Menschen mit langwierigen Erkrankungen ein Rettungsanker. Wer Jahre zwischen Krankengeld, Arbeitsamt und diversen Arztbesuchen erleben musste, sieht in ihr häufig einen Ausweg. Das darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Erwerbsminderungsrente für einen großen Teil der Betroffenen ein finanzieller Rückschritt ist. Wer keinen gut verdienenden Partner hat, landet möglicherweise in der Grundsicherung oder „auf Hartz IV“.

Wenn Sie Fragen rund um die Rente wegen Erwerbsminderung haben, freuen wir uns über Ihren Besuch in unserer Sozialberatung.

Der Sozialverband Deutschland hilft in sozialen Angelegenheiten. Wir vertreten unsere Mitglieder bis zum Sozialgericht, unter anderem bei Auseinandersetzungen rund um das Thema Rente und Behinderung.

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